Masterplan "Queeres Nürnberg"

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

unsere Stadt Nürnberg ist die Heimat von mehreren tausend queeren Menschen. Queer sind alle, die als lesbische, schwule, bisexuelle, transsexuelle, intersexuelle Menschen oder aus sonstigen Gründen den Rahmen einer kulturell tradierten ausschließlich heterosexuell ausgerichteten Lebensform sprengen. In ihrem „Anders-Sein“ sind queere Menschen während ihres gesamten Lebens und bei weitem nicht nur im Rahmen des Coming Outs besonderen Herausforderungen ausgesetzt, insbesondere im Hinblick auf die Akzeptanz ihrer Persönlichkeit im Familienkreis, im beruflichen Umfeld und im gesamtgesellschaftlichen Kontext. Diese Herausforderungen bestehen weiter, auch wenn die frühere strafrechtliche Verfolgung nach § 175 StGB a.F. beendet, die eingetragene Lebenspartnerschaft und die Ehe für Alle eingeführt und im Rahmen des AGG eine allgemeine Gleichbehandlung zum Prinzip erhoben wurde. Für einzelne Gruppen sind aber auch die rechtlichen Grundlagen nach wie vor nicht angemessen ausgestaltet (insbesondere im Hinblick auf Transsexualität).

Eine besondere Herausforderung ist das erstmalige Coming Out. Trotz der Steigerung gesellschaftlicher Anerkennung sind Momente des Coming Outs Ausnahmemomente für queere Menschen, in denen viele auch unmittelbare psychosoziale Unterstützung benötigen. Auch nach dem Coming Out bleibt das „Anders-Sein“ ein Thema. Das Ringen um Gleichberechtigung und Akzeptanz betrifft dabei nicht nur rechtliche oder formale Rahmenbedingungen. Es geht vielfach um Alltagsfragen, z.B. um respektvollen und diversitätssensiblen Umgang bei Ämtergängen, beim Mieten von Wohnungen, bei der Bewerbung um eine neue Arbeitsstelle, bei Besuchsrechten im Krankenhaus oder bei Angeboten im Alter.

Diese Beispiele zeigen, dass Belange queerer Menschen alle Lebensphasen betreffen und ihre angemessene Beachtung aus der Perspektive städtischer Zuständigkeiten eine Querschnittsaufgabe darstellt.

In den letzten Jahrzehnten haben sich zahlreiche Angebote für die psychosoziale, gesundheitliche, kulturelle und sonstige soziale Beratung und Betreuung entwickelt. Die Angebote von Fliederlich e.V. und der Aids-Hilfe Nürnberg-Erlangen-Fürth e.V. sind die wohl prominentesten, aber nicht einzigen Beispiele hierfür. Die Existenz dieser Angebote darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie in der Vergangenheit vielfach gegen den Widerstand öffentlicher Stellen eingerichtet werden mussten und dass öffentliche Zuschüsse nicht immer verlässlich waren. Dass die Strukturen aus der eigenen Szene heraus entstanden sind, bildet sich bis heute in einem hohen Ehrenamtsanteil ab, der einerseits Stärke und Chance ist, andererseits aber der Weiterentwicklung enge Grenzen zieht. Vor diesem Hintergrund besteht eindeutig Nachholbedarf hinsichtlich einer Verstetigung auch mit öffentlichen Mitteln und im Bereich hauptamtlicher Tätigkeit.

Die SPD-Stadtratsfraktion stellt daher zur Behandlung in den zuständigen Ausschüssen folgenden

Antrag:

Die Verwaltung erstellt in enger Kooperation mit den bestehenden Selbsthilfe- und Beratungseinrichtungen der queeren Szene in Nürnberg einen Masterplan „Queeres Nürnberg“ als Gesamtkonzept für die Unterstützung queerer Menschen in allen Lebenslagen, in dessen Rahmen insbesondere folgende Aspekte geprüft bzw. berücksichtigt werden:

  • Sicherung, Verstetigung und Ausbau der bestehenden psychosozialen, gesundheitlichen, kulturellen und sonstigen sozialen Beratungs- und Betreuungsangebote und schützenden Räume für queere Menschen in Nürnberg, insbesondere durch eine Stärkung der hauptamtlichen Tätigkeit in diesen Bereichen
  • Beibehaltung der Selbstverwaltung und Eigenverantwortlichkeit der Szeneeinrichtungen (Subsidiaritätsprinzip)
  • Angebot einer Notschlafstelle im Rahmen der Krisenintervention
  • Angebot einer queeren Jugend-WG im Rahmen der Jugendhilfe  Angebot geschützter Aufnahmeeinrichtungen für Schutzsuchende bei Verfolgung aus geschlechtsspezifischen Gründen bzw. aufgrund der sexuellen Orientierung
  • Zielgruppenorientierte kulturelle und soziale Angebote für queere Menschen aller Altersgruppen, einschließlich generationenübergreifender Wohn- und Betreuungsprojekte
  • Unterstützung bei der Suche nach geeigneten Räumlichkeiten (soweit erforderlich)
  • Finanzielle, organisatorische und ideelle Unterstützung für die Durchführung des CSD in Nürnberg als prominente und wahrnehmbare Demonstration und Veranstaltung für die Akzeptanz von Vielfalt in der Stadt der Menschenrechte
  • Berücksichtigung der Ausstrahlungswirkung und Mitversorgungsfunktion der Nürnberger Einrichtungen über das Stadtgebiet hinaus
  • Aktives Eintreten der Stadtverwaltung für LGBTIQ*-Belange
  • Maßnahmen zur Erhöhung der Sensibilität für LGBTIQ*-Belange beim städtischen Verwaltungshandeln, bei den städtischen Töchtern und städtischen Angeboten (insbesondere im Bereich von Gesundheit und Pflege, Publikumsdiensten, Seniorennetzwerken, Kultureinrichtungen und Kulturprogrammen)

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Antragsteller

Dr. Ulrich Blaschke
Stadtrat