Standortentscheidung für ein Opernhausinterim - Stadtratssitzung 15.12.2021

Redebeitrag Dr. Ulrich Blaschke

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen!

Mir sind nur wenige Stadtratsentscheidungen in Erinnerung, die eine so breite und so überregionale Aufmerksamkeit erfahren haben wie unser heutiger Tagesordnungspunkt. Uns allen sind Stellungnahmen und Berichte in großer Zahl zugegangen.

Dies zeigt: Wir müssen nicht nur fachlich, sondern vor allem auch politisch erklären, was wir entscheiden und warum wir es entscheiden.

Für die SPD-Fraktion möchte ich dies anhand von 5 Gedanken tun, die für uns maßgeblich sind.

Erster Gedanke: Was ist eigentlich die Aufgabenstellung?

Die Aufgabenstellung ist: Wir retten unser Staatstheater in die Zukunft. Ohne saniertes Opernhaus kein Theater. Und ohne Interim keine Sanierung. Das ist der Kern.

Für uns ist es unvorstellbar, eine Großstadt ohne Musiktheater und Ballett zu sein. Wir sind kultureller Grundversorger für eine ganze Region. Wir haben ein Modell der Schulplatzmiete, von dem ich übrigens lange Jahre dachte, das gäbe es überall in Deutschland. Das ist aber nicht der Fall. Es ist eine echte Nürnberger Errungenschaft zur Heranführung junger Menschen an die Kultur. Und nicht zuletzt: Theater sind Orte, die sich mit dem Zusammenleben der Menschen in allen Zeiten und Gesellschaftssystemen auseinandersetzen. Ein wichtiger Beitrag zur Verteidigung demokratischer Werte, gerade in unserer heutigen Zeit.

Zweiter Gedanke: Was entscheiden wir heute und was nicht?

Wir entscheiden: Ein Theater für die Mitte der Gesellschaft bleibt in der Mitte der Stadt. Ein liebgewordenes Denkmal, das die Stadtansicht prägt, bleibt erhalten und doch: Innerlich neu. Anders. Offener. Zugänglicher. In einer neu gestalteten Umgebung. Aber weiter im Verbund mit dem Schauspielhaus.

Wir entscheiden: Wir bauen das Interim selbst. An einem Ort, der ein besonderer ist und der deshalb auch besonders behandelt werden muss. An einem Ort, wo die geistige und künstlerische Kraft des Theaters sich dem Ungeist der Nazis entgegenstemmen werden.

Wir entscheiden: Wir gehen an die Kongresshalle. Wir sehen keine tragfähige Alternative zum Standort Kongresshalle. Nicht im Schöller Areal. Nicht auf der Messe. Und nicht an der Meistersingerhalle. Auch nicht auf einer der Flächen, die im Vorfeld der Konzerthausplanung bereits geprüft wurden.

Wir entscheiden: Erinnerungsarbeit und Erinnerungskultur müssen weiterhin möglich sein. Die Interimsnutzung muss Rücksicht nehmen. Der Diskurs um den richtigen Umgang mit der Kongresshalle muss weitergehen. Sensibilität ist gefragt. Hier stehen wir nicht am Ende der Debatte, sondern allenfalls mittendrin.

Wir entscheiden nicht: Wo genau kommt die Spielstätte hin? Im inneren Rund der Kongresshalle? An der Außenseite? Hin zur Stadt oder hin zum Dutzendteich. Wir entscheiden über ein Verfahren, das Fachleute einbezieht und das eine weitere Diskussion über die richtige Platzierung zulässt. Es ist kein Geheimnis: Die SPD plädiert für die Außen-Platzierung. Aber wir sind gespannt auf die Fachbeiträge im Verfahren, und wir lassen uns auf diese Fachbeiträge ein.

Dritter Gedanke: Können wir das heute entscheiden?

Wir meinen ja: Aufbauend auf den Empfehlungen der Opernhauskommission hat die Verwaltung ein enormes Arbeitspaket in kurzer Zeit abgearbeitet. Ein Szenariovergleich, eine grobe Kostenorientierung, Aussagen zur Förderkulisse. Eine Darstellung des Staatstheaters auf der Grundlage: Wir machen Theater, das die Nazis nicht sehen wollten. Und wir machen Theater so, wie es die Nazis nicht sehen wollten. All das befähigt uns heute, eine Grundsatzentscheidung zu treffen. Ich danke allen Beteiligten für die Vorarbeiten, in der Verwaltung, in der Projektbaudienststelle und im Theater.

Ja, auch wir hätten uns eine frühere und noch intensivere Diskussion mit Fachleuten und Öffentlichkeit gewünscht. Diese nimmt gerade erst Fahrt auf. Spät angesichts der Zeitzwänge, die eine Grundsatzentscheidung heute erfordern. Aber wir sind zuversichtlich: Auch wenn wir über das OB an der Kongresshalle heute entscheiden, bleibt genug Diskussionsstoff für das WIE in den nächsten Monaten.

Und damit bin ich zugleich beim 4. Gedanken:

Was macht die SPD? Diese Frage wurde in den vergangenen Wochen oft gestellt. Ich meine: Wir haben dafür gesorgt, dass heute die Entscheidungsgrundlagen vorliegen. Wir haben ab der ersten Sitzung der Opernhauskommission „Mehr gewollt“. Mehr Informationen, mehr Darstellung, mehr Vergleich, mehr Kommunikation.

Wir haben intensive Gespräche mit unserem Kooperationspartner, der CSU-Fraktion, geführt. Wir haben letztlich die Sondersitzung der Opernhauskommission im Juli ausgelöst. Wir haben mit Briefen und Anträgen die Beschlüsse der Opernhauskommission im Oktober maßgeblich geprägt. Ich weiß: Wir haben Vielen damit Viel zugemutet.

Die Gründe dafür waren nicht „Wir wollen bremsen“ oder gar „Wir wollen verhindern“. Auch nicht parteipolitische Ränkespiele.
Uns war klar: Dieses Mega-Vorhaben „Sanierung des Opernhauses“ darf nicht scheitern. Auch das Interim nicht. Dafür braucht es eine breite Mehrheit im Stadtrat und Unterstützung in der Bürgerschaft. Deshalb haben wir auf eine professionelle Vorbereitung und eine Vertiefung der Entscheidungsgrundlagen gepocht. Auch und gerade in Bezug auf den besonderen Stellenwert der Erinnerungskultur und in Bezug auf den Umgang mit dem Reichsparteitagsgelände.

Wir haben die ganzen Monate fachlich um eine tragfähige Lösung gerungen und für einen Einbezug der Bürgerschaft geworben. Das ist unser Verdienst in dieser Debatte. Machtfragen oder gar Fragen nach dem Fortbestand der Kooperation haben bei uns keine Rolle gespielt. Im Gegenteil: Wir sind froh über den fraktionsübergreifenden Konsens, der sich heute abzeichnet. Man kann ein solches Vorhaben nicht mit 36:35 Stimmen durch den Rat bringen. Hier braucht es eine breite Mehrheit.

Der 5. und letzte Gedanke handelt von Finanzen und von Mut.

Manchen geht die heutige Entscheidung zu weit. Anderen nicht weit genug. Manche wünschen sich mehr: ein Konzerthaus, zwei Ergänzungsbauten statt einem. Für die einen ein zu harter Eingriff in ein Denkmal, für die anderen ein kulturpolitisch zu kurzer Sprung.

Die Entscheidungen über die Opernhaussanierung und das Interim finden aber nicht im luftleeren Raum statt. Allein die Höhe der Beträge erfordert eine Begründung, ein Erklären, warum das notwendig ist. Aber auch die Haushaltslage der Stadt mit deutlichen Corona-Einschlägen und gleichzeitig einer langen Liste von notwendigen Investitionen kann man nicht ausblenden.

Mehr kann man immer fordern. Besser geht immer. Manchmal ist aber schlicht das Machbare das Beste. In der Haushaltssituation der Stadt Nürnberg ist die Entscheidung für unser Opernhaus und ein Interim alles in Allem eine Entscheidung, die viel Mut erfordert. Diesen bringen wir heute gemeinsam auf.

Gleichzeitig bleibt unsere Forderung bestehen: Wir erwarten vom Freistaat Bayern, dass er mehr zuschießt als nur die „normale“ Förderung. Wer an einem Staatstheater beteiligt ist, muss dieser Verantwortung gerecht werden. Und wer in der Landeshauptstadt einen zusätzlichen Konzertsaal komplett selbst baut und betreibt, der muss auch die kulturelle Sicherung in Nürnberg finanzieren. Auch darum wird es in den nächsten Wochen gehen.

Wir werden den Beschlussvorlagen heute umfänglich zustimmen. Und wir hoffen, dass alle diejenigen, die heute nicht zustimmen oder heute skeptisch sind, das Vorhaben Opernhaussanierung und Interim dennoch konstruktiv begleiten werden.